Das „Alles fließt“-Prinzip von Heraklit zeigt sich gerade in der Geopolitik:
Der zurzeit mögliche Atom-Deal mit dem Iran hat die Golf-Monarchien dazu bewogen, von den Vereinigten Staaten ein festes Verteidigungsbündnis zu fordern, berichtet das US-Magazin Foreign Policy (FP) – Damit könnte eine Allianz ins Wanken geraten, die seit 70 Jahren eine scheinbare Konstante der Geopolitik darstellt. Den Golf-Statten unter ihrem Primus inter Pares Saudi-Arabien kann nicht gefallen, dass sich ihre traditionelle Schutzmacht USA, an den Iran annähert, den ewigen Rivalen der Golf-Herrscher um die Vormacht im Mittleren Osten.
Es wird nun spannend, wie sich das Allianzgefüge in der Region verändert, sollte der Atomdeal des Westens mit dem Iran wie geplant im Juni über die Bühne gehen.Gewinnen der Golfkooperationsrat oder die Arabische Liga als Sicherheitsallianzen an Bedeutung? Kommt es sogar zu einer Annäherung Israels an die Golf-Staaten, gegen den gemeinsamen Erzfeind Iran? Vieles scheint möglich. Klar ist, dass die Sonderbeziehung der USA zu den Golf-Monarchien, die vor 70 Jahren mit der „Sicherheitsgarantie“ der USA für Saudi-Arabien begann (siehe Foto), sich zunehmend überlebt hat.
Konkret lobbyieren Saudi Arabien und die anderen fünf Golf-Monarchien anscheinend seit Wochen dafür, zwischen den USA und dem Golf-Kooperationsrat (einer Allianz aller sechs Golf-Monarchien, gegründet als Anti-Iran-Allianz 1981, kurz nach der Iranischen Revolution) einen Beistandspakt abzuschließen, schriftlich fixiert und institutionalisiert.
Die USA haben das Ansinnen laut FP aber bis jetzt abgelehnt. Gerade im Mittlere Osten erlebt die Weltmacht seit Jahren, was „imperial overstretch“ bedeutet – die Rolle als erster Sheriff vor Ort bei zahllosen Krisen, lässt das Imperium zunehmend mehr kosten, als es einbringt. Über einen Beistandspakt mit den Golf-Monarchien wäre den USA eine Involvierung in weitere Konflikte fast sicher; siehe aktuell die aggressive Interventionspolitik der Saudis im Jemen gegen die Huthis, vermeintliche Schützlinge der Mullahs in Teheran.
Die Herrscher am Golf zeigen ihre Unzufriedenheit mit der bisherigen Schutzmacht. Zu einem kürzlich von US-Präsident Obama anberaumten Treffen mit den Golf-Monarchen in Washington, ließen sich einige Herrscher entschuldigen. Für die New York Times ein deutliches Zeichen für zunehmend gespannten Beziehungen zwischen Washington und den Golf-Potentaten.
Nachtrag: Bei dem Treffen zwischen dem US-Präsidenten und den Golf-Monarchen in Camp David äußerte sich Obama so vor der Presse:
“The United States is prepared to work jointly with [Gulf Cooperation Council] member states to deter and confront an external threat to any GCC state’s territorial integrity”
Das heißt dann wohl: Einen festen Beistandspakt wird es nicht geben, dafür aber ein massives Entgegenkommen bei den Wünschen der Golf-Herrscher in Sachen Aufrüstung mit US-Waffen.
Ergänzung: Die begonnene Relativierung der Allianz USA-Golfstaaten zeigt sich gerade in der engen Zusammenarbeit zwischen Saudi-Arabien und der Türkei, eigentlich Rivalen in der Region. Der Machtzuwachs des Iran lässt sie nun ihr gemeinsames Vorgehen in Syrien gegen das Assad-Regime koordinieren; einen der engsten Verbündeten Teherans in der Region. Dabei geht es um massive Luftschläge plus Waffenlieferungen an die Anti-Assad-Milizen, ohne Beteiligung und Absprache mit den USA. Dieses Vorgehen Riads und seine massive Intervention im Jemen zeigen, dass sich Saudi-Arabien gezwungen sieht, sein strategisches Umfeld zunehmend in Eigenregie zu gestalten, ohne Rücksicht auf den schwächelnden Regional-Hegemon USA.