Die Nähe zur Bevölkerung und das Verständnis für die Kultur des Landes indem gerade Interveniert wird – beides sind „lessons learned“ so das Mantra aus Politik und Militär im Westen. Wie wenig das immer noch stimmt, zeigt die Geschichte des „Human Terrain System“ der US-Streitkräfte.
Einst sollte „Human Terrain“ dem US-Militär intensive Kultur- und Sprachkenntnisse der Einsatzländer vermitteln. Doch das Programm wurde im September letzten Jahres klammheimlich eingestellt, wie die New York Times jetzt berichtet. Der Ansatz von „Human Terrain Systems“: Eingebettet in die Truppe, sammeln Teams von Soziologen und Anthropologen ethnografische, soziokulturelle und wirtschaftliche Informationen über die Zustände vor Ort. Die geballte Info-Macht sollte den kämpfenden Einheiten vor Ort helfen, die Herzen der Einheimischen zu gewinnen, um besser über lokale No-Go’s, einheimische Bräuche und das Anbahnen von Stammes-Allianzen Bescheid zu wissen. Von 2006 bis zu seiner Einstellung pumpte das US-Militär mehr als 700 Millionen US-Dollar in „Human Terrain“, so die Times.
Das Programm war wichtiger Bestandteil der „neuen“ us-amerikanischen Strategie zur Aufstandsbekämpfung in Irak und Afghanistan ab 2006, um die unter dem Schlagwort „Counterinsurgency“ ein regelrechter Hype entstand. Damals glaubte die US-Armee, die Zauberformel gefunden zu haben, um die leidigen asymmetrischen Kriege zu gewinnen. Die US-Generäle David Patreaus und James Amos hatten eine Strategie zur Aufstandsbekämpfung in Failing States ausgearbeitet. Die führte scheinbar passgenau das zusammen, was kaum zusammengeht: militärische Gewalt zur Feindbekämpfung und Aufbau staatlicher Strukturen.
Das vermeintlich Innovative an dem Verfahren, das in Afghanistan unter dem Label „Partnering“ angewandt wurde: Das US-Militär sollte sich umfassende Kenntnisse von Kultur und Sprache des Einsatzlandes verschaffen. Solchermaßen „soziologisch“ aufgerüstet, sollte es gelingen, die Bevölkerung auf die eigenen Seite zu ziehen. Der Masterplan: mittels intensiver Gespräche und dem Verständnis für die Verhältnisse Vor-Ort, sollten die lokalen Eliten bereits im Vorfeld von Säuberungsaktionen gegen Taliban & Co. auf die eigene Seite gezogen werden. In der Folge würden Kollateralschäden minimiert und Hilfe und Wiederaufbau ließen sich durch die Vernetzung vor Ort effektiver und mit weniger Bürokratie durchführen. Um dafür das nötige Rüstzeug zu haben, wurde „Human Terrain“ aufgelegt. Doch das Programm versagte wohl grandios, unter anderem wegen stümperhafter Personalauswahl und dem schlechtem Zusammenspiel von Soldaten und Wissenschaftlern. Mehr dazu in Artikeln der New York Times und des Coutner Punch.
Apropos: Ein, wie ich finde, geniales Buch zum Thema, ist die Analyse „Aufstand“ von William R. Polk. Hier eine Rezension im Perlentaucher.