Ein neues Standard-Sturmgewehr für ihre Armeen – das suchen zurzeit Frankreich wie auch Deutschland. Die Bundeswehr möchte ab 2019 einen Nachfolger für das G36 einführen; bei den Französischen Streitkräften soll schon ab 2017 das FAMAS ersetzt werden. Nun haben deren Verteidigungsministerien einen Dialog zu den Beschaffungsprojekten gestartet. Die Deutschen bekunden dabei ein rein technisches Interesse.
„Ein durch Frankreich ausgewähltes Produkt könnte auch im deutschen Vergabeverfahren relevant werden. Bei dieser Auswahl wären dann die Informationen zu den französischen Spezifikationen und Ergebnissen der Produkterprobungen sehr hilfreich“, so ein Sprecher des BMVgs gegenüber dem Autor.
Die Franzosen denken weiter. „Ideal wäre es, wenn Deutschland unsere Vorgaben und damit Auswahlkriterien übernimmt“, so Laurent Collet-Billon, Leiter der französischen Rüstungsagentur – „Dies könne eine günstige Verbindung schaffen“. Die Aussagen machte Collet-Billon, als ihn vor Kurzem der Verteidigungsausschuss des französischen Parlaments zum Wehrhaushalt 2016 befragte.
Die offensichtliche Hoffnung dahinter: Das Sturmgewehr, für das sich die französischen Streitkräfte entscheiden, deren Vergabeverfahren bereits auf Hochtouren läuft und 2016 abgeschlossen sein soll, das kauft im Nachhinein auch die Bundeswehr. In der Folge würden die Kosten für beide Parteien geringer. Selbst wenn noch getrennt bestellt wird. Bei Wartung, Ersatzteilen und Nachbestellungen ließe sich dann kooperieren. Auf deutscher Seite werden die Kosten für den G36-Nachfolger auf 630 Millionen Euro geschätzt. Die Franzosen veranschlagen für ihre kommende „Arme individuelle future (AIF)“ circa 400 Millionen Euro.
Die Beschaffung eines neuen Sturmgewehrs gleich gemeinsam anzugehen ist wohl kein Thema des Austauschs. Das französische Vergabeverfahren steht kurz vor dem Abschluss, das deutsche hat erst begonnen. Dass beide Armeen zeitgleich entscheiden und einen gemeinsamen Vertrag aushandeln, sei sehr unwahrscheinlich, heißt es aus dem BMVg.
Erste Aufgabe des „Sturmgewehr-Dialogs“ ist es wohl, einen juristisch sauberen Weg zu finden, wie die Bundeswehr an das französische Dossier kommt. Dazu ein Sprecher des BMVgs: „Eine Übermittlung der französischen Spezifikationen / Forderungen für ein neues Sturmgewehr hat noch nicht stattgefunden. Dies liegt insbesondere im laufenden französischen Vergabeverfahren begründet. Vor einer Weitergabe vergaberelevanter Informationen an Dritte ist sehr sorgfältig zu prüfen, ob sich dadurch ggf. negative vergaberechtliche Implikationen ergeben würden.“
Um den Dialog in Schwung zu bringen, soll es in Kürze ein Treffen der Direktoren der jeweiligen Rüstungsämter geben, über die der Austausch läuft. Das ist auf deutscher Seite das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz BAINBW, bei den Franzosen die Direction Générale de l’Armement (DGA).
Ob das Ganze substanzielle Ergebnisse bringt, ist nicht zu sagen; da ist noch viel Konjunktiv drin. Vielleicht ist dieser Dialog aber der Auftakt zu einer Entwicklung, an deren Ende die beiden Hauptmächte Europas ihre Armeen mit ein und derselben Infanteriewaffe ausrüsten – Franzosen und Deutsche würden sich die „Braut des Soldaten“ teilen; das wäre ein starkes Signal für mehr europäische Rüstungsintegration; die bekanntermaßen weit ihren Erfordernissen hinterherhinkt.
Nachtrag: Im August diesen Jahres hatte Frankreich wohl noch eine gänzlich andere Position in Sachen „Kooperation Neue Sturmgewehre“. Laut einem Artikel im Handelsblatt (Danke für den Hinweis Marco Lietz) waren es damals die Deutschen, die auf Arbeitsebene vorfühlten und von der Direction Générale de l’Armement eine Absage erhielten. Das französische Argument: Auf Grund des unterschiedlichen Entwicklungsstandes der beiden Rüstungsprojekte, sei ein Zusammenkommen nicht mehr vorstellbar. Diese Position hat sich jetzt augenscheinlich fundamental gewandelt.
Sideinfo: Die G36-Thematik wird hierzulande ausführlich besprochen. Einen, wie ich finde, guten Beitrag zur „FAMAS-Story“ (leider nur auf Französisch) gibt es hier.
Welche Hersteller mit welchen Modellen sich um den FAMAS-Nachfolger bewerben, ist hier nachzulesen. Danke an Peter Platzgummer für den Hinweis.
Als ehemaliger Berufssoldat bin ich der festen Überzeugung, dass es logisch und wichtig wäre, für die künftig beiden tragenden Armeen Europas einhitliche neue Sturmgewehre zu nutzen. Das von Heckler und Koch bereits im Ernstfall erpropte G416 könnte eine vernünftige Alternative darstellen und wäre sofort liefer- und einsetzbar. Das von „Schreibtischbeobachtern“ beschriebene höhere Gewicht durch den stabileren Lauf ist für einen im Einsatz befindlichen Soldaten nie ein Problem. In Kampfeinheiten dienen bekanntlich keine weichgespülten Schwiegermütterlieblinge sondern gute Männer!
Ein Vergabeverfahren ist ja schön und gut, aber glaubt wirklich irgendjemand, die Bundeswehr würde ein Gewehr beschaffen, dass nicht aus Deutschland ist? Auch wenn wegen dem G36 im Moment noch etwas dicke Luft ist, die Bundeswehr wird sich für das HK 416 von Heckler und Koch entscheiden, Gegen den Sumpf der Vetternwirtschaft ist zumindestens zur Zeit kein ankommen.
„…die Bundeswehr wird sich für das HK 416 von Heckler und Koch entscheiden…“
Der Drops scheint noch nicht gelutscht:
https://www.welt.de/wirtschaft/article157227431/Pistolen-Produzent-setzt-wieder-auf-deutschen-Markt.html