So werden Bundeswehr Kriegsschiffe „kampfbereit“

Im Kontext Fregatte Augsburg / Träger Charles de Gaulle bei der Operation Counter Daesh hatte ich beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr nachgefragt – Was heißt „kampfbereit“ für den Geleitschutz von Flugzeugrägern? Korvettenkapitän Bastian Fischborn hat mir dann ausführlich geantwortet, wie die Deutsche Marine ihre Schiffe allgemein als „combat ready“ zertifiziert. Da bestens strukturiert, hier die Antwort im Originalwortlaut:

Die Schiffe und Boote der Deutschen Marine durchlaufen vor der Teilnahme an einem Einsatz, einem Ständigen Nato-Verband oder der NATO-Response-Force, eine mehrmonatige Zertifizierung. Die Zertifizierung dauert bis zu zwölf Monate und findet an verschiedenen Ausbildungseinrichtungen statt. Lassen Sie mich einmal ein Beispiel schildern, dann wird es deutlich:

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Die „Invincible“ – ein Träger der Briten im Falkland Krieg. Das aus den damaligen Erfahrungen entstandene „Operational Sea Training“ der Briten, nutzt auch die Deutsche Marine, um ihre Schiffe kampfbereit zu machen – Foto: Dragon Hammer 90 / CC-Lizenz / Wikimedia

Januar – Februar

Eine Fregatte kommt im Januar nach einem Werftaufenthalt wieder in Fahrt. Zunächst wird sie dann im Marinearsenal (der marineeigenen Werft) wieder vollständig ausgerüstet, es werden also die Anlagen, Waffen und Geräte wieder eingebaut, die vor dem Werftaufenthalt eingelagert wurden. Sodann beginnt sie im Februar ein individuelles Ausbildungsprogramm, bei dem die Besatzung nachweisen muss, dass das Schiff sicher am Seeverkehr teilnehmen kann (nautisch-navigatorische Fähigkeiten) und die sogenannten „Notrollen“ werden eingeübt (Mann über Bord, Feuer im Schiff, Wassereinbruch etc.).

März – April

Die nächste Stufe steht dann im März mit einer zweiwöchigen Eingangsüberprüfung am Einsatz-Ausbildungszentrum Schadensabwehr der Marine in Neustadt an. Hat das Schiff die Eingangsüberprüfung absolviert, bei der die Fähigkeiten des Schiffes als „Einzelfahrer“ getestet werden, beginnt eine dreiwöchige Schadensabwehr- und Gefechtsdienstausbildung, die sogenannte „SAGA“. Etwa 25 Ausbilder des Einsatz-Ausbildungszentrums kommen dafür an Bord der Fregatte und testen das Zusammenspiel der Bereiche der Fregatte. Wir nennen diese Ausbildung und Prüfer in der Marine „Searider“. Dabei handelt es sich um erfahrene Bootsleute und Offiziere, die in seefahrenden Verwendungen ausgebildet wurden. Sie sind Spezialisten beispielsweise für Nautik, Navigation, Decksdienst, Logistik, Brandbekämpfung, Leckbekämpfung, komplexe elektrische und elektronische Schadensbilder, Waffen, Funkdienst, taktischen Signalfunk, Sanität usw. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung ist es also April und die Besatzung hat nachgewiesen, dass sie trotz Schadenslagen, Verletzten, Toten, Feuern, technischen Ausfällen das Schiff beherrscht und das Waffensystem Schiff möglichst lange zum Einsatz bringen kann.

Mai – Juni

Nun nimmt das Schiff beispielsweise an zwei Nato-Manövern und einer deutschen Verbandsübung teil und schon ist es Juni oder Juli. Nach dem Sommerurlaub ist es dann August und nun kommt die britische Ausbildungseinrichtung FOST (Flag Officer Sea Training) ins Spiel. So wie beispielsweise unsere nordeuropäischen Partnermarinen ihre Boote und Schiffe an das Einsatz-Ausbildungszentrum der Marine schicken, so schicken wir unsere Boote und Schiffe auch ins Ausland, um sie dort zertifizieren zu lassen. Für Schiffe findet das im GOST (German Operational Sea Training) bei dem FOST in Plymouth statt.

Juli – November

Das GOST dauert sechs Wochen, das Schiff ist während der Ausbildung auf See. Ziel des GOST ist es, dass die Besatzung nachweist, dass sie das gesamte Anforderungsprofil an ein Schiff beherrscht. Für eine Fregatte bedeutet das, sich in den drei klassischen „Warfare Areas“ Überwasserseekriegführung, Unterwasserseekriegführung und Luftkriegführung durchzusetzen. (Ergänzung Blog-Autor: Das Operational Sea Training führten die Briten nach dem Falklandkrieg gegen Argentinien ein. Damals machten sie die Erfahrung, dass ihre Mannschaften nicht ausreichend auf alle Kampfsituationen, wie Wassereinbruch nach Raketen-Treffer, eingestellt waren). Hierzu gehört auch der Schutz einer „High Value Unit“, beispielsweise eines Flugzeugträgers. Die ebenfalls rund 25 „Searider“ beim GOST sind überwiegend Briten, dazu kommen einige Deutsche, Holländer und Belgier. Nach Abschluss des GOST ist es September und das Schiff ist als einsatzfähig zertifiziert. Addieren Sie noch ein paar Wochen im Heimathafen, die ein oder andere Instandsetzung oder technische Umrüstung dazu und schon ist es November und ein Jahr ist fast verstrichen.

Einsatz

Diese Ausbildung beim FOST wird von allen Fregatten absolviert, unabhängig davon, ob sie für den Einsatz in einem Ständigen Nato-Verband, für die Operation Sophia, für die Operation Atalanta oder die Operation Counter Daesh vorgesehen ist. Hat die Fregatte das GOST abgeschlossen, ist sie einsatzfähig. Die Fregatte „Augsburg“ kommt bei dem Einsatz zum Schutz des französischen Trägers einer ihrer Kernaufgaben nach – eben dem Schutz einer Hochwerteinheit. Die Schiffe des Verbands um die „Charles de Gaulle“ ermöglichen dem Träger, sich auf seine Kernaufgabe zu konzentrieren, indem jegliche Bedrohungen ferngehalten werden – das Prinzip nennt sich: Nothing comes close. 

Die Fregatte „Augsburg“ befand sich Anfang Dezember bereits im Mittelmeer und war schon dem EU-Einsatzverband Sophia unterstellt. Wegen der Nähe zum Einsatzgebiet wurde sie dann ausgewählt, in den Verband zum Schutz der „Charles de Gaulle“ zu gehen und befindet sich mittlerweile im Indischen Ozean auf den Weg in den Persischen Golf. Für ein Schiff im Einsatz brauchen Sie im Grunde drei Schiffe: eines ist im Einsatz, eines hat den Einsatz gerade hinter sich gebracht und eines bereitet sich gerade auf den Einsatz vor. Durchschnittlich sind etwa 60 bis 70 Prozent der Schiffe und Boote der Deutschen Marine einsatzfähig, die anderen bereiten sich darauf vor oder sind gerade im Arsenal oder einer Werft.