Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, den Sockel des deutschen Militärengagements an der Ostflanke auszubauen – die Battlegroup der NATO Enhanced Forward Presence (EfP) in Rukla, Litauen. Jene wird von der Bundeswehr geführt, die auch den größten Teil der Kampftruppen des multinationalen Verbands stellt. Bis jetzt ist die Battlegroup ein verstärktes Bataillon. Dessen Umfang: 1.600 Soldatinnen und Soldaten, davon 1.000 deutsche, so die Angaben der Bundeswehr. Nun soll zum Bataillon eine verstärkte Kampfbrigade aufwachsen. Das wären dann eine Mannstärke von 3.000 bis 5.000 plus. Ein NATO-Wording gibt es schon dafür: Intensified Forward Presence (IfP). Zeithorizont und Ausgestaltung der Kampfbrigade sind jedoch noch unklar.
Das gemeinsame Kommuniqué von Bundeskanzler und Litauens Präsident Gitanas Nausėda beschreibt die Pläne so: „(…) Deutschland ist bereit, eine robuste und gefechtsbereite Brigade in Litauen anzuführen, zur Abschreckung und Verteidigung gegen russische Aggression. Diese Brigade, angeführt durch ein permanent disloziertes vorgeschobenes Element eines Brigadestabes in Litauen, wird aus deutschen Kampftruppen bestehen, die eigens diesem Zweck dienen und möglicherweise durch multinationale Beiträge ergänzt werden. Dadurch entsteht ein starker, zweckgebundener Kampfverband, der schnell disloziert und eingesetzt werden kann. Diese Truppen werden in ein intensives und umfassendes Übungsprogramm mit regionalem Schwerpunkt eingebunden, an dem auch die rotierenden Truppen und die litauischen Streitkräfte teilnehmen (…).“
Das heißt, die Bundeswehr stellt Teile eines Brigadestabs als dauerhaftes Führungselement vor Ort sowie assignierte rotierende Kampftruppen. Hinzu kommt eine Partner-Erweiterung; versehen mit dem Attribut möglicherweise, da sie noch mit potenziellen Partnern wie Tschechien ausgehandelt werden muss.
Die unklare Größe wird vor allem der deutsche Kampftruppen-Beitrag sein. Das verdeutlicht eine Rückmeldung des Verteidigungsministeriums auf die Frage des Autors nach Präzisierung des Vorhabens. Dort wird vor allem auf das Führungselement Bezug genommen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums: „Deutschland wäre bereit, eine einsatzbereite Brigade in Litauen anzuführen. Ein vorstationiertes Führungselement dieser Kampftruppenbrigade würde dauerhaft in Litauen stationiert. Dieses Führungselement wird ggfs. durch Kräfte multinationaler Partner ergänzt. Die Kräfte werden in ein Übungsprogramm mit regionalem Schwerpunkt eingebunden. An den Übungen nehmen auch rotierende Truppen und die litauischen Streitkräfte teil.“
Auf einer Pressekonferenz in Litauen sprach Scholz davon, „(… )unser Engagement in Richtung einer robusten Kampfbrigade zu entwickeln (…).“ Das klingt stark nach „Der Weg ist das Ziel“ Militärpolitik à la SPD. Diese dürfte der Kanzler nicht im Sinn gehabt haben, sehr wohl jedoch deren Effekte. Die verschleppte Ertüchtigung der Bundeswehr nach der Krim-Annexion Russlands 2014 lässt ein größeres Engagement zur Landes- und Bündnisverteidigung nur im Heranrobben zu. Der Versuch einer Beschleunigung im Nachgang über das Sondervermögen dürfte Jahre brauchen, um Wirkung zu entfalten.
Statt 2027 soll die erste vollausgestattete Bundeswehr-Division nun 2025 der NATO zur Verfügung stehen. Allerdings geht dies weiterhin nur durch das Abschöpfen von Material aus dem Rest des Heeres. Die „Division 2025“ wird auf Basis der 10. Panzerdivision gebildet; von deren 37. Panzergrenadierbrigade, der 12. Panzerbrigade sowie der Deutsch-Französischen Brigade. Hinzu kommt die 11. Luchtmobiele Brigade der Niederlande aus der Division Schnelle Kräfte (Korrektur: sowie der Panzerlehrbrigade 9 aus der 1. Panzerdivision). Dazu bleiben die Verpflichtungen für EfP/VJTF-Kräfte der NATO sowie eine Battlegroup der EU. Ebenfalls 2025 soll die Bundeswehr den „Kern“ einer neuen EU-Eingreiftruppe stellen.
Ein Hauptproblem der Bundeswehr wie der europäischen Streitkräfte insgesamt ist es, dass sich die Europäer seit den 1990er-Jahren stetig mehr Kommandos und Militärstrukturen schaffen, ohne jedoch ihre Armeen auszubauen. Ihre überschaubaren Verbände sind diversen NATO/EU Formaten assigniert. Kommen neue Aufgaben, fangen die Militärplaner in Abstimmung mit den Partnern an, die auf Kante genähten Kräfte umzuordnen, bis wieder eine multilaterale Kontingentlösung zurecht geschnippelt wurde. Für den Generalinspekteur der Bundeswehr Eberhard Zorn (siehe Tweet-Screenshot) ist dieses Modell militärisch nicht länger belastbar. General Zorn strebt voll ausgestattete Großverbände an, die sich umgehend und beliebig skalierbar mobilisieren lassen. Ob die Bundeswehr dies zumindest bis Anfang der 2030-er Jahre erreicht, dem ursprünglichen Zielhorizont der Bundeswehr-Ertüchtigung, hängt nun von einer gelungenen Umsetzung von Sondervermögen samt Wehrplanung ab.