Deutschlands Luftfahrtindustrie sorgt sich um den Erhalt ihrer militärischen Kapazitäten. Das zentrale Programm zu deren Auslastung ist immer noch der Eurofighter. Die aktuelle Produktion und Ausrüstung der Tranche 4 mit 58 Maschinen für die deutsche und spanische Luftwaffe läuft 2030 aus. Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) wirbt für eine Tranche 5, um die Dekade bis zum Zulauf des FCAS ab 2040 zu überbrücken.
BDLI-Präsident Michael Schöllhorn bei einem Pressegespräch in Berlin: „Dazu brauchen wir bis spätestens 2027 Klarheit. Vor allem die Zulieferindustrie kleiner und mittelständischer Unternehmen muss sich schon zwei, drei Jahre vor Programmende orientieren können.“ Der Bedarf der Industrie laut Schöllhorn: 100 Eurofighter einer Tranche 5, um mit einem Jahresausstoß von zehn Stück die industriellen Kapazitäten auszulasten. 40 Tranche 5 Eurofighter habe die Luftwaffe als Bedarf kommuniziert. Die weiten 60 müssten über den Export gedeckt werden.
Kommt diese Tranche 5 nicht, müsse die Luftfahrtindustrie um Airbus ihre Kapazitäten verkleinern. „Arbeitslosigkeit wäre in der heutigen Situation sicher nicht das Problem. Die gut ausgebildeten Fachkräfte würden sofort von anderen Branchen absorbiert. Es ginge um den Verlust der Kompetenz zum militärischen Flugzeugbau in Deutschland“, so der BDLI-Präsident. Ohne eine Tranche 5 wäre auch der Erhalt der technologischen Fähigkeiten für ein Luftkampfsystem der 6. Generation hinfällig. Schöllhorn: „Wir würden dann noch was geht an Fähigkeiten in die zivile Sparte wuchten. Aus FCAS wären wir dann raus.“
Laut BDLI wäre eine Tranche 5 Eurofighter essenzieller Träger neuer Technologien als Brücke zum FCAS; vor allem zur Datenerfassung und dem elektronischen Kampf. Über diese weitere Tranche ließe sich die Einsatzfähigkeit des Eurofighters als Teil des FCAS bis 2060 sichern. Schöllhorn skizziert die deutsche Luftwaffe 2040 wie folgt: 200 Kampfjets insgesamt. Davon 35 F-35. Sowie 165 Eurofighter. Dieser würden dann über die Einführung von FCAS sukzessive ausgephast.
100 Eurofighter sind laut BDLI das Minimum, um die Produktion einer Tranche 5 rentabel zu machen. Auf rund 150 Eurofighter schätzt BDLI-Präsident Schöllhorn das Potenzial. Als mögliche Abnehmer nennt er neben Deutschland, Spanien, Österreich, Katar, die Türkei und Saudi-Arabien. Italien und Großbritannien sind wegen ihres frühen und konsequenten Umstiegs auf die F35 eher theoretische Optionen, zur nochmaligen Erneuerung ihrer Eurofighter Restflotte. Das Abnahmepotenzial Spaniens schätzt der BDLI auf schmale 25 Maschinen.
Der Export wäre somit die Achillesferse einer Tranche 5 Produktion. Die Aussichten bei Österreich, Türkei und Katar sind äußerst vage, wie aus den Ausführungen der BBLI-Verantwortlichen in Berlin deutlich wurde. Deren Ausblick zirkulierte ganz um den Export nach Saudi-Arabien, auch wenn Schöllhorn sagt, „Saudi-Arabien ist für den Exporterfolg nicht unbedingt notwendig.“ Dessen Exportpotenzial wäre mit 48 bis 72 Maschinen jedoch wertvoll, um die Exportlücke der 60 Maschinen zu schließen.
Die Golf-Despotie ist allerdings der tradierte Problemabnehmer von Wehrtechnik Made in Germany. Zurzeit gibt es wegen dem Jemen-Krieg, den das Königreich führt, einen Exportstopp. Dieser betrifft generell deutsche Komponenten des Eurofighters, so dass auch Großbritannien nicht liefern kann. Das schloss 2018 ein Memorandum of Understanding mit den Saudis zum Ersatz von deren Tornados mit 48 Eurofightern. Laut jüngster Medienberichte drängt der britische Premier Rishi Sunak Kanzler Olaf Scholz, die deutsche Blockade aufzugeben. Sein Kernargument sind wohl die laufenden Bemühungen der Kriegsparteien um einen Waffenstillstand. Saudi-Arabien fiel allerdings jüngst wieder negativ auf, als Human Rights Watch von der gezielten Tötung hunderter Migranten durch saudische Grenztruppen berichtete.
Die Industrie verlangt dagegen nach Planbarkeit durch langfristig gültige Zusagen. Große Hoffnungen hat sie nicht. Mit Blick auf das angekündigte Exportkontrollgesetz der Ampel meint BDLI-Präsident Schöllhorn: „Trotz möglicher Werkzeuge wie Positivlisten oder ähnlichem, werden Waffenexporte stets eine Einzelfallentscheidung bleiben.“ Laut BDLI-Vize Michael Schreyögg wäre es bestens, wenn die Bearbeitung für Exportgenehmigungen zügiger ginge. Für NATO und EU-Staaten läge diese bei circa 3 Monaten, für den Export in Drittstaaten bei bis zu 18 Monaten. Ein latentes Problem bleibt auch die Konkurrenz der Europäer untereinander im Rüstungsexport. Hier Konsistenz herzustellen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit. So verweist Schöllhorn mehrmals darauf, dass sich der Eurofighter nicht an der Ausschreibung für einen Kampfjets Indonesiens beteiligen durfte, Frankeichs Luftwaffenkonzern Dassault jedoch schon, der nun die Rafale dorthin liefert. Würde Dassault auch in Saudi-Arabien antreten und gewinnen, würde das dessen Motivation für FCAS weiter senken. Kontext dazu: Dassault verkaufte im vergangenen Jahr üppige 80 Rafale jüngster Generation an die Vereinigten Arabischen Emirate. Damit sind seine Kapazitäten über Jahre gut ausgelastet.
Ziel der deutschen Luftfahrtindustrie ist es nun, mit der Luftwaffe im nächsten Jahr einen Entwicklungsvertrag zu schließen und auf dessen Basis 2025 die Beauftragung für eine Tranche 5 zu bekommen. Laut Schöllhorn gebe es zur Tranche 5 „prinzipielle Zustimmung“ aus dem Verteidigungsministerium und der Politik. Das Problem sei allerdings die Handhabung des 2-Prozent-Ziels. Der bisherige Regierungskurs sieht vor, dieses nur über das Sondervermögen zu erreichen, nicht über einen Ausbau des Wehretats. Das Sondervermögen ist jedoch in großen Teilen bereits verplant. Die Entscheidung zu einer Tranche 5 droht in die nächste Legislatur nach 2025 geschoben zu werden, so die Befürchtung der Industrie.
Kontext hierzu: Der BDLI hat von der Unternehmensberatung PwC eine Studie zum volkswirtschaftlichen Nutzen des Eurofighter-Programms erstellen lassen. Hier lesen.