CDU/CSU Reformplan Bundeswehr-Beschaffung: Strategielos und EU-feindlich

Soldaten der Division Schnelle Kräfte bei der Übung Green Griffin 2019 nahe Celle – Foto: Bundeswehr

Die CDU/CSU hat im Wahlkampf einen sogenannten „Reformplan für das Beschaffungswesen der Bundeswehr bis 2029“ vorgelegt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Plan, sondern um eine Sammlung, teils mehr oder weniger ausgegorener Ideen zur Streitkräfterüstung. Aspekte, die mir bei der Sichtung des Papiers besonders aufgefallen sind:

AKK reloaded und Fehlpunkt zum Wahlprogramm

Vieles was die Konservativen in ihrer Ideensammlung präsentieren wie Design Freeze bei Entwicklungslösungen, Kompetenzpools beim Beschaffungsamt, 80-Prozent-Lösung von der Stange kaufen, etc. sind Ansätze, die von der letzten CDU-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer stammen und 2020/21 teils aufgegleist wurden (Die meisten ihrer Vorschläge formulierte Kramp-Karrenbauer in ihrem „Eckpunktepapier“). AKKs zentrale Forderung eines Bundeswehrplanungsgesetzes mit überjährigen Finanzplänen, findet sich in der CDU/CSU Ideen-Sammlung nur als abgespeckte Version eines Gesetzes, welches das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr umschreibt. Die damalige Idee, die 25 Mio-Vorlage abzuschaffen oder zumindest zu erhöhen, ist im Reformplan so formuliert, dass klar ist, die CDU/CSU glaubt kaum an eine Umsetzung: „Das Verfahren der sogenannten 25 Mio. Euro-Vorlagen als das Instrument der Parlamentsbeteiligung werden wir einer Prüfung unterziehen.“

Blickt man auf das Beschaffungsamt, ist verwunderlich, dass im „Reformplan“ die prägnanteste Idee aus dem CDU/CSU-Wahlprogramm nicht mehr auftaucht: Nämlich die Forderung, Großprojekte aus dem Beschaffungsamt herauszulösen, und einer eigenen Agentur zu übertragen. Das soll Vorhaben wie das Luftkampfsystem FCAS besser steuerbar machen. Eine Idee aus der CSU mit Blick auf Bayern, wo Deutschlands Luftfahrt- und Drohnenindustrie ihren Schwerpunkt hat. (Die CSU hat vor Kurzem erklärt, im Falle eines Wahlsiegs das Amt des Verteidigungsministers anzustreben und unterstreicht diese Ambition mit einem „Masterplan zur Stärkung der Bundeswehr und der Verteidigung“.)

Strategielos und EU-feindlich

Die CDU/CSU begrüßt in ihrer Ideen-Sammlung die erste Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie der Bundesregierung. Deren Analyse der „Erfordernisse der Rahmenbedingungen für die deutsche Verteidigungsindustrie sein durchaus richtig“. Die Bundesregierung bliebe aber noch zu oft im vagen, heißt es weiter. Konkretisiert wird das dann im Papier nicht weiter. Anhand der Vorschläge wird deutlich, dass die Konservativen eine Verteidigungsindustriestrategie eindimensional als Wirtschaftsfördermaßnahme denken und nicht als Rüstungsstrategie, die auf die Wehrkraft der Streitkräfte ausgerichtet ist. Ein prägnantes Beispiel dafür ist Punkt 48:  Bei den Rüstungsprogrammen des Europäischen Verteidigungsfonds EVF soll nicht mehr die Bundesregierung nach deutschen Fähigkeitsbedarfen eine Vorauswahl treffen, sondern die Industrie soll nach ihrem Marktinteresse auswählen können, wo sie mitmacht.

Die überfällige Gestaltung eines Fähigkeitsprofils der europäischen Streitkräfte nach CARD und „Strategischem Kompass“ fördert das sicher nicht. Damit fallen CDU/CSU sogar noch hinter die Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie der amtierenden Regierung zurück. Die formuliert zumindest die diffuse Ambition, zur Konsolidierung der Wehrindustrie in der EU solle ein „Zielbild“ erarbeitet werden. Bei CDU/CSU sind die Union und deren Mittel wie der EVF nur Werkzeuge, um den nationalen Rüstungscluster zu päppeln. Im Einstieg des CDU/CSU-Papiers wird die Arbeit an einem europäischen Wehrindustrieprogramm noch begrüßt. Doch dessen Potenziale wie Mindestproduktionskapazitäten, um das latente Problem fehlender Masse der europäischen Rüstung anzugehen, werden nicht aufgegriffen. Im Kapitel „Zusammenarbeit in Europa“ heißt es dann nur: „Es kommt deutlich mehr auf den politischen Willen auf Seiten der kooperierenden Mitgliedsstaaten an als auf eine zusätzliche Institutionalisierung von Rechten und Kompetenzen bei der EU-Kommission.“

Hier zeigt sich eine Sicht, die auch die Grundlinie der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie ist. Deutschland will kein Wehrindustrieprogramm der Europäer mit der EU als Koordinator nach Kommissionsvorschlag (Wie die EU-Rüstungsstrategie funktionieren soll, habe ich in dem Beitrag „Europas Rüstung schwächelt“ für die IP beschrieben). Die EU soll nur Finanzierungswerkzeuge bereitstellen, um Rüstungskoalitionen der Willigen zu flankieren, die Führungsnationen wie Deutschland um sich herum gestalten. Ob und wie substanzielle Finanzmittel dafür bereitgestellt werden, ist seit Jahren der Dauerstreitpunkt zwischen den Unionsstaaten. Es zeichnet sich ab, dass die Europäische Investitionsbank mit Darlehen zum wesentlichen Werkzeug der Rüstungsförderung werden soll.