Warum die Europäer am F35-Kampfjet festhalten

Eine F35 auf der ILA 2024 in Berlin.

Eine F35 auf der ILA 2024 in Berlin – Foto: Björn Müller

Die USA legten den Kampfjet F35 einst als Rüstungsprojekt an, das die NATO zusammenführen sollte. Die Trump-Administration untergräbt dieses Konzept. Trotzdem setzen die Europäer weiter auf die F35. Das hat Gründe.

Was ist das Besondere am Rüstungsprojekt F35?

Der US-Kampfjet F35 ist eine clevere imperiale Rüstungsstrategie zur Allianzpflege. Die USA verkaufen die F35 nicht einfach nur. Sie begannen früh und gezielt NATO-Partner wie Großbritannien und Italien als Projektteilhaber anzubinden. Das heißt, deren Wehrindustrie profitiert davon, Teile des Multirollenkampfjets fertigen zu dürfen. Die endgültige Integration jedes Kampfjets über dessen Software erfolgt aber ausschließlich bei Lockheed Martin, dem US-amerikanischen Wehrkonzern und Hauptauftragnehmer in Fort Worth, Texas. Auch jede neue Kampfwertsteigerung über Softwareupdates kriegen die Partner-Jets nur in den USA.

Dieses US-kontrollierte F35-Beteiligungsnetzwerk wuchs seit Mitte der 2000er-Jahre stetig an. Europas Mittelmächte wie Frankreich und Deutschland versäumten es, eine Alternative zu einem Kampfjet der neuesten 5. Genration zu entwickeln. So wurde die F35 zum Kampfjetstandard der nahen Zukunft bei den Westmächten. Von Deutschland über Israel bis Japan führen nahezu alle westlichen Luftwaffen die F35 ein – in Europa sollen es Ende der Dekade mehr als 640 Stück sein.  

So koordinieren die USA ein gewinnbringendes Rüstungsnetzwerk und harmonisieren unter ihrer Führung die diversen Kampfjetflotten der Westmächte auf die F35, für mehr militärische Schlagkraft. Allerdings ist der Kit dieser Rüstungsstrategie das Vertrauen der kleinen Partner in den westlichen Hegemonen. Genau das erodiert seit der neuen Trump-Präsidentschaft in rasanter Geschwindigkeit. Trump droht dem F35-Beschaffer Dänemark mit der Wegnahme Grönlands und sucht den Ausgleich mit Europas Hauptfeind Russland. Trump will keine Bündnisse hegen und pflegen. Er vergibt Beistand auf Aushandlungsbasis nach fallbezogenem Kosten-Nutzenkalkül.

Warum bleiben die F35-Partner bis jetzt an Bord?

Militärisch gibt es jedoch keine Alternative zur F35. Sie ist das einzige westliche Kampfflugzeug der neuen 5. Generation. Der Mehrrollen-Kampfjet hat Tarnkappeneigenschaften, was Jets der 4. Generation wie der Eurofighter und die Rafale nicht besitzen. Eine aktuelle Studie des französischen Instituts für internationale Beziehungen ifri zur Zukunft der Luftwaffe Frankreichs zitiert französische Piloten von interalliierten Übungen: „Ein Kampfeinsatz gegen die F35 ist mit der Rafale nicht zu gewinnen.“ Zudem hat die F35 eine stark weiterentwickelte Sensorik zur Aufklärung und kann Kommandostrukturen mit einem umfassenden Echtzeitlagebild versorgen -vor allem wenn die Jets im Verbund operieren. Von der F35 Abstand zu nehmen, bedeutet militärisch zurückzufallen. Auch bei der Bundeswehr sollen die F35 nicht nur die nukleare Teilhabe bei der NATO sichern, sondern auch für den Luftkampf und zur Bekämpfung von Flugabwehr eingesetzt werden. Zudem haben viele Beschaffer ihre Luftwaffenplanung schon lange auf die F35 ausgelegt. Zum Beispiel sind auch die Flugzeugträger Japans, Großbritanniens und Italiens für die F35 ausgerüstet. Die Integration des US-Kampfjets ist schon zu groß; ein Ausstieg würde die Luftkampffähigkeit der Streitkräfte lahmlegen. Öffentlich bekannt ist nur, dass Kanada und Portugal einen Verzicht auf die F35 prüfen. Kanada ist noch in einem sehr frühen Programmstadium und hat noch keine Jets erhalten; Portugal hat über eine Nachfolge seiner alten F-16 noch nicht entschieden.

Worauf setzten die F35-Beschaffer?

Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verwies vor allem auf die eng verwobenen Industrien der F35-Nutzergemeinschaft, von der „wechselseitig profitiert werde“. Deutschlands Industriepartner für die F35, der Rüstungskonzern Rheinmetall, veröffentlichte vor Kurzem ein Video, das zeigt, wie Maschinen des US-Wehrkonzerns Northrop Grumman in die Fabrik Rheinmetalls bei Weeze in Nordrhein-Westfalen transportiert werden. Sie sind Teil der Fertigung, die ab Juli Rumpfteile der F35 herstellen soll. Finnlands Luftwaffenchef Generalmajor Timo Herranen veröffentlichte sogar eine ausführliche Stellungnahme zur F35, die ebenfalls die ökonomische Bedeutung des Programms für die US-Rüstungsindustrie betont. Die F35-Partner der USA setzen wohl vor allem darauf, dass ökonomische Vernunft die USA davon abhält, die F35 zum Erpressungswerkzeug zu machen. Vorteilhaft für dieses Kalkül ist, dass F35-Produzent Lockheed Martin – lange Zeit der Primus der US-Luftwaffenrüstung – bei den neuen Programmen nicht zum Zug kam. Im Auswahlverfahren für einen neuen Kampfjet der US-Navy ist der Konzern ausgeschieden. Für einen kommenden US-Kampfjet der 6. Generation wurde vor Kurzem Boeing ausgewählt.  Das heißt, Lockheed Martin ist auf einen weiteren Aufwuchs und Erhalt des wirtschaftliche Ökosystems F35 besonders angewiesen.

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